,-Ziegler-Turbo-Flügel".
Julius Ziegler, Pörtschach am See, Kärnten, hat bei eingehenden Versuchen, die sich über mehrere Jahre erstrecken, Erscheinungen festgestellt, die mit den heutigen
Anschauungen über Aerodynamik nicht in Einklang stehen. Wir bringen hier einen Auszug aus den Versuchsaufzeichnungen, da wir der Ansicht sind, daß das Problem
einer eingehenden Betrachtung wert ist und daß man auch solchen Gedankengängen, die mit den herrschenden Ansichten in Widerspruch stehen, nachgehen soll.
Den Anlaß für die Untersuchungen von Ziegler gaben auffallende Leistungsdifferenzen, die im Verlaufe der Entwicklung des Turbo-Flügels (Abb. 17,18) zwischen
Windkanal- und Flugmessungen auftraten. In der Hauptsache zeigte sich bei Anblasung (Windkanalversuch) gegenüber dem ursprünglichen Profil ein kleinerer
Höchstauftrieb (camax = 1,25), während die Flugmessungen (Anfahrung) eine beträchtliche Steigerung dieses Wertes ergaben (camax = 3,1).
Zur Klärung dieser Unstimmigkeit wurden zunächst Naturbeobachtungen durchgeführt. An freistehenden Masten zeigte sich im Schneesturm je nach der
Windgeschwindigkeit eine verschiedene Ausbildung der Schneeansätze (Abb. 1—3 u. 13). Bei kleinen Geschwindigkeiten traten Ablagerungen auf Vorder- und Rückseite
auf, wobei sich im Ganzen eine annähernd stromlinienförmige Umkleidung des Mastes ergab. Bei Sturm (etwa 20 m/sec) zeigte sich nur an der Rückseite ein Ansatz, der
in der Breite über den Durchmesser des Widerstandskörpers hinauswuchs. Aehnliche Ergebnisse brachten auch Versuche über den Eisansatz an Körpern in strömendem
Wasser.
Im Anschluß hieran wurde ein Kreiszylinder von 80 mm 0 mit einer Klappe nach Abb. 4 (siehe Bericht über Versuch „Kaptein". Flugsport 1910, Nr. 2) mit verschiedenen
Geschwindigkeiten angeblasen. Dabei hob sich die Klappe ab und die Strömungsform hinter dem Zylinder nahm die in Abb. 5 dargestellte Form an (Beobachtung durch
Flaumfäden).
Die Versuche bei Anblasung des „Z"-Flügels in verschiedenen Ausführungen zeigten je nach Ausbildung der Kanäle (Abb. 6 bis 8) ein Durchströmen von der Saug- zur
Druckseite und umgekehrt. Das Profil nach Abb. 6 ergab bei geringer Geschwindigkeit und normalem Anstellwinkel im ersten Kanal Durchströmung nach unten, bei
Erhöhung der Geschwindigkeit oder Vergrößerung des Anstellwinkels Strömung nach oben. Im zweiten Kanal ging der Durchstrom vorwiegend nach oben, die
hindurchtretende Luftmenge war hierbei größer als bei Kanal 1. Der dritte Kanal zeigte im normalen Anstellwinkelbereich fast keinen Durchstrom.
Bei federnder Abdeckung der Klappenmündungen auf der Saugseite (Abb. 7) ergab sich nur bei großer Geschwindigkeit und großen Anstellwinkeln ein Durchströmen nach
oben. Die Klappe an Kanal 3 wurde nicht abgehoben. Bei negativer Anstellung wurden die Klappen infolge der EjektorWirkung auf der Unterseite des Flügels gegen die
Mündungen der Kanäle gedrückt.
Die Ausführung nach Abb. 8 zeigte ausnahmslos ein Durchtreten der Luft von oben nach unten. Diese Form der Kanäle wurde nach Versuchen am Flugzeug in natürlicher
Größe nicht weiter verfolgt.
Aus diesen Erscheinungen läßt sich folgendes ableiten: Bei geringer Geschwindigkeit ist an den Stirnflächen von Widerstandskörpern und Flügeln eine Stau Wirkung
vorhanden, bei erhöhter Geschwindigkeit tritt eine Unterdruckwirkung auf, die sich bis über den Strömungsscheitel hinaus erstreckt. Das Auftreten dieses Unterdruckes
weist daraufhin, daß die Strömung bereits vor dem Körper eine Ab-
a, a'-c, c' = Phasen des Schneebelages. Anblasgeschwindigkeit
V = unter 10 m/s. Ablenkung der Anblasströmung bei erhöhter Anblasgeschwindigkeit (Abb. 2). Schneefahne. — Ueberbildung V = über 10 m/s (Abb. 3).
lenkung erfährt. Die Ueberbildung des Schneeansatzes an Masten zeigt ferner, daß diese Ablenkung in der Breite über den Scheitel des Widerstandskörpers hinaus
erfolgt. Auf der Rückseite des Körpers wirkt sich die Ablenkung und Beschleunigung der verdrängten Strommassen in einer Verzögerung des Abfallens der
Abflußströmung aus. Demzufolge weist die Strömung in und hinter dem Scheitel den kleinsten Druck auf, der nach der freien Strömung zu ansteigt. Die Luftmassen, die
sich in der Unterdruckzone von Anfang an befinden, besitzen einen größeren statischen Druck als die Strömung und versuchen diese am Scheitel abzudrängen. Dies wird
durch den Strömungsdruck verhindert und führt zu erhöhter Reibung und einer Druck Verringerung in der Unterdruckzone nahe am Scheitel. Dem steht durch den Abfall
der Abflußströmung eine Druckerhöhung gegenüber, die einen Rückstrom in die Unterdruckzone bewirkt, durch dessen kinetische Energie ein Druck auf die Rückseite des
Körpers ausgeübt wird (s. Abb. 2 und 5).
Die Energie der damit verbundenen Wirbelbildungen tritt als Wärme und als Gegendruck gegen die Rückseite des Körpers, also widerstandsvermindernd, in Erscheinung.
Die Druck- und Strömungsverhältnisse am Flügel bei geringer und großer Geschwindigkeit zeigen Abb. 9 und 10.
Als Gegenüberstellung zu diesen Versuchen wurden nun verschiedene Körper auf ihr Verhalten bei Anfahrung, also bei Bewegung des Körpers gegen die in Ruhe
befindliche Luft untersucht.
Ansätze von Schnee zeigten sich in diesen Fällen ausnahmslos nur an der Vorderseite der Körper, was auch durch die Erfahrungen über den Eisansatz an Flugzeugteilen
usw. bestätigt wird.
An dem Zylinder mit Klappe wurde diese bei Fahrversuchen mit bis zu 120 km/h Geschwindigkeit unter Ueberwindung einer Federkraft, die die Klappe zu öffnen
versuchte, fest an den Zylinder gedrückt (Abb. 11 u. 12).
Weiterhin ließen sich aus dem Verhalten von frei aus dem Versuchswagen geworfenen Papierschnitzeln Rückschlüsse auf die Strömung ziehen. In geringem seitlichen
Abstand freigegebene Schnitzel wurden in die Rückzone des Wagens getragen, während die in größerer Entfernung abgeworfenen Blättchen zunächst frei nach unten
fielen und erst in größerem Abstand hinter dem Wagen in dessen Fahrtrinne gezogen wurden. Hieraus kann auf das Auftreten eines inneren und eines äußeren
Wirbelfeldes geschlossen werden, eine Erscheinung, die nur bei Anfahrung auftritt.
Mit den Schlitzflügeln ergab sich folgendes: Solange die obere Mündung des Kanals 1 vor dem Strömungsscheitel lag, strömt die Luft bei allen Geschwindigkeiten von
oben nach unten. In den Kanälen 2 und 3 zeigte sich ein größerer Durchstrom von unten nach oben als bei Anblasung, der mit dem Anstellwinkel zunahm und auch bei
kleiner Geschwindigkeit erhalten blieb. Aus diesen Versuchen wurde die Ausführung der Flügel an den Maschinen Z I, Z II und Z III abgeleitet.
Für die Beobachtungen bei diesen Versuchen mit Anfahrung ergibt sich folgende Erklärung: Die Luft steht dem Körper in Ruhe und unter dem normalen Druck gegenüber.
Das Trägheitsmoment der Luftkörper wirkt deren Verdrängen entgegen. Daraus ergibt sich eine Verdichtung der angefahrenen Luftmassen, die sich im Staudruck äußert.
Dies führt entgegen den Verhältnissen bei Anblasung zu einer Anglei-chung verdrängter und freier Luftmassen, die sich in einer Druckerhöhung bzw. Uebersättigung und
teilweisen Mitnahme der dem Fahrkörper überlagerten Luftschichten äußert. Bei Anblasung finden wir ein beschleunigtes und verdünntes Stromfeld, bei Anfahrung ein
ruhendes und übersättigtes Druckfeld. Die Druckverschiedenheit zwischen dem Strömungs- und dem statischen Druck ergibt bei Anblasung eine verringerte und bei
Anfahrung eine erhöhte Reibung an der Stirnfläche. Die Bildung der Stau- und Reibungsschicht (Grenzschicht) wird bei Anblasung durch den kleineren Strömungsdruck
und Abspülung durch den Strahldruck der Strömung sehr begrenzt. Die freie Strömung liegt infolgedessen fast unmittelbar an der Druckseite an. Bei Anfahrung wird die
Bildung der Grenzschicht durch den größeren Druck der ruhenden Luftmassen begünstigt, was zu Ueberbildungen der Reibungsschicht führt, die schließlich bis zu den
Grenzen der Druck- bzw.
Verdrängungszone anwächst. Beim angefahrenen Flügel wird diese Ueberbildung durch ein Staupolster auf der Druckseite dargestellt, das zum Teil mitgenommen wird
und zu einer Veränderung des wirksamen Flügelschnittes führt. Dieses Staupolster setzt die Stoßkraft der freien Luftmassen herab und führt zu einer Angleichung an die
Ergebnisse bei Anblasung. Die noch vorhandene Differenz wird im Kennwert ausgedrückt
.
Bei der verzögerten Abdrängung der Reibungsschicht zur Unterdruckzone wächst deren Druck an. Entgegen den Verhältnissen bei Anblasung steht nahe dem
Strömungsscheitel dem größten Druck der verzögerten Staumassen der kleinste Druck der Unterdruckzone gegenüber. Diese Druckverschiedenheit ergibt schnelle
Ausdehnung der Grenzschicht und führt zu dem inneren Wirbelfeld. Abb. 15 zeigt das Strömungsbild an einem Flügel bei untersetzter, d. h. entsprechend dem
gewünschten Auftrieb zu geringer Geschwindigkeit, Abb. 16 unter normalen Verhältnissen.
Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die mangelhafte Auswertung der am Flügel freibleibenden Luftkräfte beim Anblasverfahren infolge des Stromschubes verborgen
bleibt. Nur die Anfahrung gibt die Verhältnisse richtig wieder. Der kleinste Druck im zunehmenden Verhältnis bei Stromschub und der größte Druck im abnehmenden
Verhältnis bei Flügelschub vom Strömungsscheitel zur Hinterkante hin zeugt für die Unzuständigkeit des Anblasverfahrens.
Bei Versuchen mit durchbrochenen Flügeln nach Abb. 17 und 18 stellt sich bei Anblasung vermehrter Widerstand und verminderter Auftrieb ein, bei Anfahrung ist das
Gegenteil der Fall. Außerdem ergibt sich im letzteren Falle absolute Stabilität bis zur völligen Geschwindigkeitsabnahme.
Diese Erkenntnisse stehen allerdings in Widerspruch zu der bisherigen Auftriebserklärung, derzufolge der Unterdruck auf der Saugseite und der Ueberdruck auf der
Druckseite als Ursache der Tragkraft angesehen werden. Da die Druckdifferenz nur in der Nähe des Flügels besteht, während in größerer Entfernung darüber und darunter
der unveränderte atmosphärische Druck herrscht, widerspricht diese Erklärung den Gesetzen der Physik. Es kommen also für eine richtige Erklärung des Auftriebes nur
die „Dynamik der Luftmassen" bzw. die Bewegungsgesetze von Newton in Betracht.
Abb. 12. Abb. 5.
a) Stauzone,
b) Strömung s-Komponetite,
c) Inneres Wirbelteid.
d) Verdrängungs-Komponente,
e) Aeußeres Wirbelfeld. Abb. 12.
Abb. 10: Anblasgeschw.— ;F=}*vt- übersetzt. — Verzögerter " Strömungsabfall. Abb. 9: Anblasgeschw. — untersetzt. Beschleunigter Strömungsabfall.
Abb. 9.