Segelflugzeug „Agfa".
Von Dipl.-Ing. Paul Hermuth. Durch eine namhafte Spende von sehen der IQ-Farbenindustrie A.-Q. Berlin, der an dieser Stelle noch besonders gedankt sei, war die
Segelfliegergruppe der Maschinenbauschule Dessau in die Lage versetzt worden, ein
Leistungssegelflugzeug zu bauen, das den Spendern zu Ehren „Agfa" genannt wurde.
Beim Entwurf der „Agfa" (Abb. 1) war vor allem der Gesichtspunkt maßgebend, daß, der Notzeit entsprechend, ein möglichst billiges und doch ausreichend
leistungsfähiges Segel-
flugzeug entstehen sollte. Als Leistung wurde von der Gruppe u. a. auch verlangt, daß die Möglichkeit bestehen sollte, auf der „Agfa" im Gleitfluge vom 13,5 m hohen
Steutzer Hang die A-Prüfung abzuliegen. Beide Bedingungen sind restlos erfüllt worden. Mit 600 RM Unkosten ist die „Agfa" gewiß als billiges Flugzeug anzusprechen.
Aus Ersparnisgründen wurde eine Bauweise gewählt, die teure Beschläge überflüssig machte. Das war bei einem Steiligen Flügel mit Kugelverschraubungen (Abb. 2)
nur so möglich, daß von der Turmbauweise der Hochleistungsmaschinen abgegangen und ein Schulterdecker entworfen wurde, dessen freitragender Flügel auf einem
oben breiten Rumpf sitzt, der wieder mit seiner großen Aufspannbasis billige, ungeschweißte Blechbeschläge für den Flügelanschluß gestattete. Die ungünstigen
StrömungsVerhältnisse hinten in Flügelmitte konnten durch den scharfkantigen Rumpf soweit gemildert werden, daß der Widerstand innerhalb erträglicher Grenzen
blieb.
Der vorne 5eckige, hinten Seckige Rumpf ist ungewöhnlich niedrig und in Gitterbauweise mit seinen wenigen Diagonalen auch recht leicht. Die Diagonalen wurden U-
förmig ausgefräst, die ebene Rumpf Oberseite sperrholzbeplankt und ohne Diagonalen ausgeführt. Der Führersitz ist vollständig verkleidet. Die langgestreckten Fenster
ermöglichen gute Sicht nach vorne, nach oben und unten (Abb. 3).
Im Rumpfkiel befindet sich eine gefederte Kufe mit Gummizügen und Stoßbremse, welche etwa 6 cm Hub verträgt und verhindert, daß die Kufe nach Aufnahme eines
Landungsstoßes zurückschnellt und dabei das ganze Flugzeug mit seiner nun verminderten Fahrt- und Steuerfähigkeit noch einmal vom Boden abhebt und zu Bruch
Anlaß gibt. Es zeigte sich, daß
die Landungen „sammetweich" erfolgten. Erst nach Lösen einer Flügelmutter gleitet
Abb. 4. Blick in den Rumpf bei abgehobener Haube. Man sieht im Vordergrunde die Steuersäule mit den Stoßstangen für die Querruder, dahinter das Federbein, auf
welches 8 Gummizüge wirken, und die kreisrunden, mit Gummi belegten Brems Scheiben, die an senkrechten Führungen entlang gleiten und an diese durch
eine Flügelmutter (nicht sichtbar) angeklemmt werden.
das Federbein mit seinen kreisförmigen Bremsbacken (Abb. 4) wieder in seine Normallage und wird dort wieder festgeklemmt.
Das dreiteilige Tragdeck besitzt Kugelverschraubungen für die Holmanschlüsse. Die Verbindung der hinteren Hilfsholme bewerkstelligen schräg durchgesteckte
Zuganker. Dabei ließen sich die üblichen Spaltverkleidungen bis auf 4 kleine Sperrholzplättchen vermeiden. Die Drehachsen der Flügelklappen liegen, ebenso wie die
des Höhenruders, in der Höhe der oberen Stoffbespannung (Abb. 5), die hier nicht unterbrochen wurde. Dadurch erübrigte sich eine besondere Spaltabdeckung und
die Klappenhebel verschwinden auf der Flu gel Unterseite zum großen Teil. Der offenbleibende Spalt auf der Flu gel Unterseite fällt wegen der Differentialsteuerung schmal
aus.
Die Flügelprofile erhielten*) über kreis bogenförmigen Mittellinien Ordinaten nach der Gleichung y = x-fK 1—xf, die senkrecht zur Flügelsehne aufgetragen wurden. Die
Wölbung der Mittellinie beträgt innen 5%, außen 4% der Flügeltiefe. Das Dicken Verhältnis ist innen 116 und außen
Die Spieren erhielten mit einer von Hand betriebenen kleinen *) Nach einem Vorschlage von Dr. A. Kupper.
Kreissäge, die auch als Fräser die
unerwünscht ist. Die Spierengurt
Ausfräsungen der Holme eingeleir
Das Höhenruder wurde an den Rl
befindet sich dahinter und ergibt,
Für die Spaltabdeckung des beim
ausgespannt erhalten wird (Abb.
Daten: Spannweite 14 m, Länge t
Sturzfluggeschwindigkeit von 200 km/h
„Der Des sau er"
Segelflugzeug des Flugtechnischen Vereins Dessau E. V. I'»2.!.
Maßgebend für den Entwurf war die Erwägung, daß ein neugegründeter Verein um seiner Existenz willen bei seinem ersten Erscheinen im Wettbewerb sich nicht auf
mehr oder minder gewagte Experimente einlassen konnte. Die Aufgabe wurde daher so aufgefaßt, unter Anlehnung an bewährte Konstruktionen einen Typ
herauszubringen, der zunächst einmal konkurrenzfähig war. In zweiter Linie sollte möglichste Verfeinerung in konstruktiven und aerodynamischen Einzelheiten
augestrebt werden. Aufbau und Steuerung entsprechen daher dem „normalen deutsehen Segelflugzeugtyp".
In der I hirchkoustruktiou kamen folgende Leitgedanken zur Verwirklichung :
1. Aerodynamische Vorteile sind in praxi mit Mehrgewicht selten oder nie zu teuer erkauft. (Beispiele: Mehrfacher Lackanstrich der ganzen Maschine zur Verminderung
der Oberflächenreibung; kleiner Rippenabstand — bes. auf der Saugseite der Tragfläche zur genauen Wahrung des Profils; Unterbringung sämtlicher
Steuerbetätigungs-organe wie Seile, Rollen und Hebel im Innern von Flächen und Rumpf; vollständige Einkapselung des Führers, jedoch so, daß gute Sicht nach vorn
und hinten gewahrt bleibt, auch das Gefühl für den Fahrtwind nicht verloren geht; sorgfältige Verkleidung außenliegender Streben mit Einschluß der Knotenstücke
usw.)
2. Gewichtsverminderung ist nicht durch Herabsetzen der Sicherheiten anzustreben, sondern durch möglichste Verringerung der Zahl der Einzelteile, insbesondere der
Anschluß- und Knotenstücke (Mittel hierzu u. a. einholmige und einstielige Bauart, Heranziehen der Außenhaut zur Aufnahme der Kräfte usw.).
3. Die Wirksamkeit von Ouer- und Seiten Steuerung ist möglichst zu verbessern.
Das Tragdeck, in bekannter Weise einlioluiig mit torsionfester Sperrholznase ausgeführt, ist in Flugzeugmitte geteilt. Die Holuiunter-gurte sind hier unter sich durch ein
Gelenk und mit dem Rumpf durch einen zum Austriuimen der Maschine versetzbaren Beschlag verbunden; die Obergurte stoßen stumpf aufeinander und stehen somit
im Fluge gleichfalls unter Kraftschluß. Die inneren Fliigclhälfteu erhielten aus werkstatteclmischen Gründen gleichbleibendes Profil (Göttingen Nr. 289), in den
Außenteilen nahm das Dieken Verhältnis stetig ab. Der Rumpf, der hinten unmittelbar in das Höhenleitwerk ausläuft, weist im Hauptspant einen fünfeckigen Querschnitt
auf. Dieser ergibt sieh gewissermaßen zwangläufig, wenn man die durch den Körperumriß des Führers bedingte Minimalquerschnittfläche der Rumpf form zu Grunde
legt. Die erprobte Rahinenspautkonstniktion ohne jede Diagonalver-biudnngen. bei der die Sperrholzhaut voll ausgenutzt wird, bietet die Vorteile einer einfachen
Herstelluugsweise und geringen Gewichts bei übersichtlicher Bauart. Die Rurnpfwände sind etwas gewölbt ausgeführt, um der Neigung des Sperrholzes zum
Welligwerden entgegenzuwirken. Als Landcgestell dient eine einkufige Ausführuiigsfonn der l.nftpuffcrabfederung nach I). R. P. 381655, die 1922 zum ersten Male am
..Geheimrat" angewendet wurde und im Jahre 1923 bereits mehr-
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,FL U GS P 0 R 1
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fach Nachahmer gefunden hatte. Auf jeder Seile fängt eine kurze kräftige Durairohrstrebe den Flügel gegen den I lauptspant des Rumpfes ab. liier war ein Versuch mit
einer neuartigen Einrichtung gemacht worden. Erfahrungsgemäß treten bei freitragenden Flügeln großer Spannweite die größten Beanspruchungen beim Landen auf.
Ein in die Strebe eingebauter Gummipuffer, der auf Druck beansprucht einen Federweg von zirka 5 mm zuließ, sollte den Landungsstoß müdem, während gegenüber
den Zugbeanspruchungen im Fluge die Strebe sieh nach wie vor starr verhielt. Der beabsichtigte Zweck wurde auch voll erreicht, 'trotzdem dürfte die Anordnung nicht
zu empfehlen sein, da sie wahrscheinlich das Eintreten der Resonanzschwingungen bei dein Sturmfluge am 30. August begünstigt bat, die schließlich zum Bruch der
Maschine führten. Die hierbei aufgetretenen Beanspruchungen müssen so hoch gewesen sein, daß eine Revisioti der üblichen Berech-
nungsgrundlageri geboten , erscheint. (Es sei in diesem
Zusammenhang an die bekannten Kol irb ach sehen Ausführungen über die Las I vielfache aerodynamisch hochwertiger Flugzeuge erinnert!) Im vorliegenden Falle war für
das Tragwerk eine acht- bis zehnfache Sicherheit zu Grunde gelegt worden. Das Höhenleitwerk besitzt eine einstellbare I )ämi>fuugsfläclie, die ebenso wie die Kielfloss
ganz mit Sperrholz bepkinkt ist. Besondere Sorgfalt war auf die Ausbildung der Seiten- und Quersteuerung verwendet worden, da deren Wirksamkeit bei
Segelflugzeugen meist sehr zu wünschen übrig läßt. Seiten- und Querruder sind daher sehr reichlich bemessen, die Kielflosse dagegen möglichst klein gehalten, da die
bisher üblichen Ausführungen in Verbindung mit hohen Rümpfen vielfach eine zu große Richtungsstabilitüt bewirkten. Die Quersteuerung wurde, gleichzeitig unter
besonderer Ausbildung des äußeren Tragflächentcils. nach dein bekannten Prinzip der Differentialsteuerung ausgebildet, d. h. einem bestimmten Ausschlag der einen
Klappe z. B nach unten entsprach ein größerer Ausschlag der anderen nach oben und umgekehrt. Uebcrdics wurde ein möglichst geringes Trägheitsmoment in Bezug
auf die Längsachse des Flugzeugs durch entsprechende Massenverteilnug angestrebt. Auf diese Weise wurde eine hervorragende Wendigkeit der Maschine erreicht, die
hierin wohl von keiner anderen im Wettbewerb übertroffen wurde. Bei den Steuerzügeu waren Umlenkungen um Seilrollen fast durchweg vermieden. An deren Stelle
traten Winkelhebel und Stoßstangen, was die Montage sehr vereinfachte. So war z. B. durch Herausnahme eines einzigen Bolzens die Quersteuerung der beiden Flügel
von einander und zugleich vom Knüppel zu trennen.
Hanptdaten des „Dessauers": Spannweite: 12,8 m, Flügeltiefe: 1,28 m, Seitenverhältnis 1: 10,6, Gesamtlänge: 5,7 m, Höhe: 1,35 in, Tragfläche: 15,5 in2,
Höhenflosse: 0,95 m2, Höhenruder: 1,50 m2, Seitenflosse: 0,44 in2, Seitenruder: 1,30 m2, Querruder: je 1,66 in2, Leergewicht: 115 kg, Flächenbelastung: 11,3
kg/m2. Hoffrnann.